Palliative Versorgung im Altenheim

Zeit und Zuwendung sind elementar Palliative Versorgung im Altenheim
Eine aktuelle Studie des Zentrums für Palliativmedizin der Uniklinik Köln zeigt: Nur vertrauensvolle Gespräche zwischen Bewohnern und Pflegepersonal ermöglichen, die Versorgung an den Bedürfnissen der Bewohner auszurichten. Diese wünschen sich psychosoziales Wohlbefinden, Kontrolle über die eigene Situation und das Zusammensein mit der Familie.

Die Studie ist die erste ihrer Art und wurde im Rahmen der Fachtagung „Palliativversorgung in Einrichtungen der Altenpflege“ am 14. November 2009 im Universitätsklinikum Köln vorgestellt. Ausgangspunkt dieser vom Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten Studie ist der seit 2007 geltende §37b Sozialgesetzbuch V. Der Gesetzgeber hat darin die Voraussetzungen für die Finanzierung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung geschaffen. Explizit wird auch der Anspruch auf spezialisierte Palliativversorgung von Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen formuliert. In 28 qualitativen Interviews wurden Bewohner, Angehörige, Ärzte, Pflegepersonal und Ehrenamtliche zur Situation und wünschenswerten Veränderungen befragt.

Richtiger Zeitpunkt

Hausärzte und Pflegende übernehmen wichtige Aufgaben im Rahmen der palliativen Versorgung, häufig fehlt es jedoch an der notwendigen Zeit, um sich dem Bewohner und seiner Familie in adäquater Weise widmen zu können. Dazu kommt, dass sich beispielsweise demente Bewohner häufig nicht mehr klar verständlich äußern können. So gibt es neben Positivbeispielen engagierter niedergelassener Mediziner immer noch ein weites Feld für Überzeugungsarbeit, damit Palliativmediziner frühzeitig hinzugezogen werden. Palliativversorgung kommt außerdem häufig zu spät zur Anwendung, da sie als ausschließlich terminale Versorgung missverstanden wird. Sie sollte jedoch bereits mit dem Eintreten belastender Symptome, wie zum Beispiel Schmerzen, beginnen. So könnte Leiden frühestmöglich gelindert und die Lebensqualität schwerkranker Menschen so lange wie möglich erhalten bleiben.

Selbstbestimmung

Bewohner möchten als Person wahrgenommen werden und über ihren Tagesablauf selbst bestimmen. Fehlt jedoch die Zeit für das Gespräch mit den Bewohnern, ziehen sie sich zurück und äußern ihre Bedürfnisse nicht. Dabei sind es manchmal kleine Dinge, die ihnen wichtig sind, wie das Essen auswählen zu können oder in den Park gefahren zu werden. Möglicherweise möchte ein Bewohner gar nicht jeden Tag geduscht werden. In solchen Situationen bedarf es sensibler Pflegekräfte, die Autonomie ermöglichen ohne Hygiene zu vermindern.

Unterstützung

Heimbewohner mit eingeschränkter Mobilität sind auf Mediziner angewiesen, die sie im Heim aufsuchen. Häufig mangelt es daher an fachmedizinischer Versorgung. Ein weiteres Bedürfnis der Bewohner und Angehörigen besteht nach emotionaler Unterstützung, vor allem in kritischen Phasen des Krankheitsverlaufs. Ebenso wünschen sie sich Zeit für das Zusammensein mit der Familie. Angehörige benötigen Informationen über veränderte körperliche Bedürfnisse in der Sterbephase, da sie sonst Sorge haben, dass ihr Familienmitglied verhungert oder verdurstet.

Resümee

In Pflegeheimen sind gute Ansätze palliativmedizinischer Versorgung vorhanden, diese müssen ausgebaut werden. Dazu gehören unter anderem die Anpassung von Personalschlüsseln in Pflegeheimen und die Erweiterung der Qualifikation der Pflegenden. Qualifizierte Pflegekräfte können schwierige Situationen meistern und unnötige Krankenhauseinweisungen verhindern. Hausärzte benötigen erweiterte Kenntnisse in der Palliativversorgung und sollten enger mit Palliativkonsildiensten zusammenarbeiten, um eine bestmögliche Versorgung zu gewährleisten. Die Vorstellung der Studienergebnisse auf der Fachtagung führte zu einer Diskussion über die Einführung von mehr und besserer „Palliative Care“ in den Einrichtungen der Stationären Altenpflege.
Vertreter aus den Einrichtungen betonten die Notwendigkeit von Schulungen in „Palliative Care“. Dabei ist Sensibilität keine Frage der Berufsgruppe: Im Falle einer Bewohnerin, die alle grünen Pflanzen aß, war es eine Reinigungskraft die eine zündende Idee hatte. Alle Pflanzen wurden eingesammelt und an ihre Stellen Schüsseln mit grünem Salat und Rohkost gestellt.
Daran zeigt sich auch: Nicht alle Möglichkeiten einer Versorgung, die sich an den Bedürfnissen der Bewohner orientiert, benötigt mehr Zeit und Geld, sondern die Bereitschaft, die Lage einmal aus der Sicht der Betroffenen zu betrachten. Das birgt die Chance, sich nicht von den Rahmenbedingungen erdrücken zu lassen. Befragungen der Bewohnerinnen und Bewohner, wie sie der vorliegenden Studie zugrunde liegen, sind ein wichtiger Startpunkt der Versorgungsforschung im Palliativbereich. Sie zeigt ermutigende Ansätze, die es dringend auszubauen gilt.

Veröffentlicht in: Zeitschrift für Palliativmedizin Februar 2010