Amanda Eyre Ward: Die Träumenden

Rezension
Aus dem englischen von Almuth Carstens
Verlag btb. 320 S. € 19,90, Das Original ist 2003 unter dem Titel „sleep toward heaven“ erschienen.

Drei Frauen – eine zum Tode verurteilte Mörderin, die Witwe eines ihrer Opfer und eine Ärztin, die im Gefängnis arbeitet.
Abwechselnd erzählt die Autorin die Geschichte der drei Frauen. Alle drei erleben Verlust, Trauer und Schmerz. Ihre Wege kommen sich näher, berühren sich, trennen sich.
Nicht nur wird die Todesstrafe dabei fast beiläufig als sinnlos entlarvt sondern ist das Leben im Todesstrakt im Mountain View Unit in „Gatestown“ (Gatesville) glaubhaft dargestellt. Das liegt sicher auch daran, dass die Autorin Interviews mit den Frauen dort geführt und sorgfältig recherchiert hat.
Die Geschichte von Karen, eine der drei Hauptfiguren, erinnert an die von Aileen Wuornos, die am 9. Oktober 2002 in Florida hingerichtet wurde (die Geschichte von Aileen Wuornos wurde mit Charlize Theron in oskarpreisgekrönter Hauptrolle in „Monster“ verfilmt): Voller Liebe für eine Frau lässt sie sich von dieser ausnutzen. Karen prostituiert sich um die Drogensucht von Ellen, ihrer Freundin, zu finanzieren. Aus Notwehr bringt sie schließlich einen Freier um, es folgt noch einer, noch einer, das Töten verselbständigt sich und schließlich ist es die Geliebte, die sie der Polizei ausliefert. Dabei ist die Liebe von Karen, die viel gemeinsam hat mit Abhängigkeit, differenziert beschrieben, man kann sie schütteln wollen, aber nicht verurteilen dafür, dass sie sich so an Ellen klammert. Karens Missbrauchs- und Gewaltgeschichte wird so beschrieben, dass das Darbieten ihres Körpers an unzählige Männer, die Selbstverachtung und der Versuch, es für die Geliebte, für etwas Liebe von ihr, zu tun, tragisch UND zutiefst menschlich erscheint.

Veronica, verurteilt wegen Mordes an ihren Ehemännern, sieben an der Zahl, erinnert an Betty Lou Beets, die in Texas am 24. Februar 2000 hingerichtet wurde und als „schwarze Witwe“ bekannt wurde. Im Gefängnis heiratet sie einen weiteren Verehrer (natürlich ohne je die Möglichkeit zu einem Hautkontakt zu haben). Wer kann so verrückt sein, eine Gattenmörderin zu ehelichen? Diese Frage tritt zurück, als Franny, die Gefängnisärztin, bei der Hochzeit durch die Trennscheibe einfach zwei verliebte Menschen sieht – fernab von jedem psychologisieren gibt auch in dieser „Nebengeschichte“ die Autorin ihren Personen Menschlichkeit.
Und Tiffany, die sagt, unschuldig zu sein am Tod ihrer beiden Kinder und deren Ehemann zu ihr hält, hatte sicher eine Vorlage in Darlie Routier, die 1997 verurteilt wurde und heute noch im Todestrakt von Texas sitzt (und bei der die Schuldfrage – anders als im Roman – nicht eindeutig durch einen DNA- Test entschieden werden konnte).

Natürlich sind Dinge anders als im realen Leben, die Hinrichtungen der Frauen folgen dicht aufeinander, es sind „nur“ fünf (zur Zeit leben neun Frauen im Todestrakt im echten Mountain View Unit in Texas, eine hat am 14. September diesen Jahres einen Hinrichtungstermin) – doch ist die Atmosphäre in der kleinen Zwangsgemeinschaft gut getroffen, die Frauen erhalten ihre Menschlichkeit und werden nicht auf ihre Taten reduziert. So erscheinen ihre geplanten, zwangsweisen Tötungen als das, was sie sind: Weitere Morde.

Die Filmrechte hat übrigens die Produktionsfirma von Sandra Bullock gekauft.

veröffentlicht in: deathrow – Magazin zur Todesstrafe 4/2005